Durch die Coronapandemie wurden seit März 2020 überall auf der Welt zahlreiche Veränderungen angestoßen – in den Lebensgewohnheiten, im Kaufverhalten, in der Arbeitswelt, in den Einkaufsmöglichkeiten, etc. Kaum ein Bereich unseres Alltags wurde dabei ausgelassen. Und die Frage, wie sich Marken und Händler an diese neuen Gegebenheiten anpassen, hatte große Auswirkung auf das wirtschaftliche Überleben und die Erfolgschancen während Corona, und darüber hinaus.
Nach dem Erfolg unseres ersten Emarsys Digital Festival – Retail Renaissance – hat nun Retail Revival zum zweiten Mal Branchenkenner*innen, Vordenker*innen und Unternehmen zusammengebracht, um die aktuelle Situation im Einzelhandel in Deutschland und international zu beleuchten. Dabei sind nicht nur thematische Schwerpunkte innerhalb der Branche ans Licht gekommen (etwa die Idee des Commerce Anywhere, oder die Bedeutung der Kundenzentrierung), sondern auch praxisnahes Insiderwissen sowie Tipps & Tricks.
In diesem Blogpost wollen wir einen genaueren Blick auf die Situation in Deutschland und die Herausforderungen und Lösungsstrategien lokaler und überregionaler Händler werfen. Dabei stellen wir 5 praxisnahe Key-Takeaways für deutsche Unternehmen im E-Commerce und klassischen Retail vor und liefern einen Ausblick auf die kommenden Wochen und Monate.
1. Kundenzentrierung ist der Weg der Zukunft
Durch die Coronapandemie fand 2020 in Deutschland eine massive Verschiebung der Kaufkraft in den digitalen Handel statt. Der Onlinehandel verzeichnete ein Plus von satten 23%. Was diese Verschiebung – und andere Begleiterscheinungen der Pandemie – aber auch bewirkten, war ein Rückgang der Laufkundschaft im Stationären Handel und die allgemein kürzere Verweildauer der Käufer*innen in den Ladengeschäften.
Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Stationäre Handel vorübergehend geschlossen wurde, mussten Händler umdenken und sich beispielsweise fragen: Wo informiert sich die Kundin vor dem Kauf? Wie kann der Kundin das passende Produkt angeboten werden? Als Konsequenz ließen (und lassen) sich für viele Händler wichtige Kaufimpulse nur noch auslösen, wenn kundenzentriert agiert wird. Das bedeutet: Händler müssen aus einer Kundensicht heraus operieren.
Viele Händler haben den durch die Pandemie aufgezwungenen Wandel gut angenommen und tatsächlich neue Wege der Kundenansprache – etwa über Onlineberatung oder Kommunikationen per WhatsApp, oder den personalisierten Newsletter – beschritten. Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH KÖLN ist davon überzeugt, dass sich das Rad nicht mehr zurückdrehen lässt, und im Gegenteil Kund*innen auch nach Corona bequeme und kundenzentrierte Alternativen wie Click-and-Collect, Same-Day-Delivery, oder die individuelle Beratung & Inspiration über digitale Plattformen erwarten.
2. Loyalty Programme sind mehr als nur Punkte
Treueprogramme sind nicht erst seit Corona eine gute Möglichkeit, aus einem an Angeboten überbordenden Markt herauszustechen und Kund*innen enger an die eigene Marke zu binden. Neben einem stärkeren Zugehörigkeitsgefühl bieten die Programme auch echte Anreize für Mitglieder*innen in Form von Punkten, Benefits und Vergünstigungen.
Wichtig dabei ist aber, sich nicht alleine auf Punkte und Rewards zu verlassen. Christoph Pippert-Winter, Teamlead CRM bei Bergzeit, ist der Ansicht, dass der Aspekt der Community eine wichtige Rolle in einem Loyalty-Programm spielen muss.
Loyalty-Mitglieder*innen sollten idealerweise von zahlreichen Vorteilen profitieren: z.B. von Gutscheinen, exklusiven Sales für Programm-Teilnehmer*innen, Experiences für Loyalty-Member, Gamification, Events für Stammkund*innen, VIP-Events, etc. So wird neben der aktiven Belohnung treuer Kund*innen auch langfristig die Kundenbindung unterstützt – und letztlich auch der Umsatz nachhaltig angekurbelt.
3. Eine integrierte Plattform als Erfolgsgrundlage
Agilität und Flexibilität sind die Punkte, auf die es in einer angespannten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation ankommt. Daher müssen Unternehmen in der Lage sein, im Handumdrehen fundierte und wissensbasierte Entscheidungen zu treffen und gegebenenfalls die eigenen Marketingstrategien zu überdenken und an neue Gegebenheiten schnell anpassen zu können. Das funktioniert allerdings nur, wenn Unternehmen über alle dafür nötigen Daten an einem zentralen Ort – der für alle relevanten Mitarbeiter*innen zugänglich ist – verfügen.
Nur wenn Händler alle Produkt- und Kundendaten zentral einsehen können, lassen sich dadurch wichtige Informationen ableiten und so entsprechend die eigenen Kampagnen – etwa zum Cross- oder Upsell – anpassen und ausrichten.
Philipp König, Senior Principal Consultant bei hmmh erklärt, dass besonders Themen wie Livestream-Shopping, oder das bequeme Überprüfen der Warenverfügbarkeit in einer bestimmten Filiale über das Internet nur mit einer komplett integrierten Plattform funktionieren. Die ganzheitliche Sicht auf die Kund*innen (stationär, online und mobile), die integrierte Sicht auf die eigenen Produktdaten, und ein integriertes Content-Management System schaffen zusammen die Grundlage für ein verzahntes Handeln – und dadurch auch für eine erfolgreiche und kanalübergreifende Kundenansprache.
4. Regionale Lieferketten & Flexible Produkte
2020 hat deutlich gezeigt, dass Händler, die nicht mit internationalen Lieferketten operieren und folglich nicht auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen sind, während des Ausbruchs der Coronapandemie einen echten Vorteil auf ihrer Seite hatten.
Ebenso waren agile Unternehmen, die kurzfristig auf regionale Lieferanten zugreifen konnten, besser in der Lage, Lieferengpässe elegant zu umschiffen und Produktionen und Produktlieferungen trotz internationaler Restriktionen zu sichern. Die Re-Regionalisierung ist ein Phänomen, das wir aktuell bei einigen deutschen Händlern beobachten können – Unternehmen re-evaluieren ihre Lieferketten und versuchen eine Risikovermeidung aktiv zu implementieren.
Neben regionalen Lieferketten konnte 2020 aber auch eine gewisse Flexibilität in der eigenen Produktion ein echter Erfolgsfaktor sein. Unternehmen, die sich schnell an sich verändernde Kundenbedürfnisse anpassen und darauf entsprechend reagieren konnten, hatten hier die Nase vorn.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Sport- und Freizeitbekleidungshersteller Trigema, der im März 2020 damit begann, statt T-Shirts vermehrt die überall nachgefragten Stoffmasken zu produzieren. Die Flexibilität an dieser Stelle sorgte nicht nur für gesellschaftliche Anerkennung, sondern resultierte auch in einem wirtschaftlichen Vorteil in einer Ausnahmesituation, in der viele Fashion-Retailer im Zuge des Lockdowns geschlossen waren und die Kundennachfrage nach Bekleidung stark zurückging.
Philipp König von hmmh ist sich sicher, dass Händler, die derartig flexibel und teilweise auch regional operieren konnten, besser durch die Krise kamen. Seiner Prognose zufolge werden sich die oben genannten Trends auch in Zukunft fortsetzen, bzw. festigen.
5. Mit Agilität durch die Krise
Ohne Frage hat die Coronapandemie und ihre zahlreichen Nebenschauplätze den Handel vor große Herausforderungen gestellt. Wie lässt sich mit Kund*innen kommunizieren, wenn die Läden geschlossen sind? Wie können Kund*innen angesprochen werden, wenn man keine Daten über sie hat? Wie lassen sich als mittelständisches Unternehmen die eigenen Produkte vermarkten, wenn mit nur einem Klick auf einem der großen Online-Portalen eine Bestellung ausgelöst werden kann?
Nicht nur die Bedeutung von Kundendaten und einer sauber geführten Kundendatenbank wurde während der Pandemie deutlich, auch die Bereitschaft zum Umdenken und dem offenen Kommunizieren mit Kund*innen trat vermehrt in den Vordergrund.
Marion Krohn, Leiterin Consulting und Business Development bei Publicare, hat am Beispiel von toom aufgezeigt, wie sich ein Unternehmen ideal an pandemiebedingte Veränderungen bei den Einkaufsmöglichkeiten anpassen kann. Toom nutzt dabei verstärkt den eigenen Newsletter, um mit aktuellen und regionalen Informationen die Kund*innen personalisiert und relevant anzusprechen.
Kund*innen sehen dabei insbesondere aktuelle Informationen zum bevorzugten Markt und zu präferierten Produkten, und erhalten so eine exakt auf sie zugeschnittene Kommunikation.
Die Zukunft wird zeigen, inwieweit individuelle Terminvereinbarungen – in Form von Click-and-Meet – auch für die verbleibenden Monate in 2021 und darüber hinaus eine Rolle spielen werden. In jedem Fall bietet es sich an, diesem System gegenüber aufgeschlossen zu sein und Strategien für persönliche Kundenberatungen in petto zu haben. So können sich Einzelhändler von reinen Onlinehändlern absetzen und ihren stationären und haptischen Vorteil in Form von Produktvorführungen und Beratungsgesprächen voll ausnutzen.
Fazit
Man kann gut und gerne behaupten, dass der Handel seit Mitte 2020 wachgerüttelt ist. Die Coronapandemie hat Prozesse in Gang gesetzt, die auch nach einem hoffentlich baldigen Ende der pandemischen Situation nicht mehr zu ihrem Ausgangszustand zurückkehren werden. Konzepte wie Customer Centricity (also Kundenbedürfnisse zu treffen, zu antizipieren und zu inspirieren), Buy Online & Pick In-Store, oder Click-and-Collect werden uns auch in Zukunft begleiten.
Die nächsten Jahre im (Einzel-) Handel werden weiterhin Agilität, Innovationen und Einfallsreichtum erfordern – zumindest für Marken, die auch in Zukunft erfolgreich agieren möchten. Mit einem Fokus auf den Kund*innen und einer echten Kundenzentrierung können sich Unternehmen aber nach wie vor von der Konkurrenz absetzen und wirklich personalisierte Erlebnisse bieten, die langfristig zu mehr treuen Kund*innen und höheren Verkaufszahlen führen.
Viele weitere spannende Sessions von Retail Revival finden Sie ab sofort hier On-Demand. Schauen Sie sich um & entdecken Sie neue Themen und Impulse, oder sehen Sie sich Ihre Lieblings-Sessions des Festivals noch einmal an.
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