Hände weg von Öffnungsraten

E-Mail Marketing ist zwar immer noch der wichtigste Kanal für Ihren ROI, aber die momentanen Veränderungen machen es für Marketer nicht gerade einfach, am Ball zu bleiben. Trotzdem müssen E-Commerce Marketingteams auf lange Sicht mit den Veränderungen Schritt halten – zumindest, wenn sie weiterhin konkurrenzfähig agieren möchten.

Die Evolution im E-Mail Marketing

E-Mail Marketing ist heutzutage kaum noch mit dem vergleichbar, was wir vor einigen Jahren darunter verstanden haben. Vorbei ist die Zeit allmonatlicher E-Newsletter, die an alle Abonnenten verschickt wurden, und bei denen es vor allem um Öffnungs- und Klick-Raten ging.

E-Mail Marketing ist mittlerweile für mehr Web Traffic verantwortlich, als Paid und Social Media zusammen, liefert von allen vorhandenen Marketingkanälen den höchsten ROI und ist landläufig bei Verbrauchern der beliebteste Kommunikationskanal wenn es um Pre-Purchase, Post-Purchase und Transaktionsnachrichten geht.

Je mehr Content verschickt wird, je engmaschiger Rhythmus und Frequenz der verschickten E-Mails ist, und je genauer auf die Bedürfnisse und Interessen jedes einzelnen Empfängers eingegangen werden kann, desto mehr entwickelt sich der E-Mail-Kanal weiter. Auch das Inbox-Filtering und das Sicherheitsprotokoll hat sich als Folge von immer hochentwickelteren Bedrohungen auf immer komplexer werdenden Wegen verändert.

Während die digitale Marketingbranche heutzutage komplexer ist denn je, haben sich die grundlegenden Methoden zum Tracken, Reporten und zur Segmentierung kaum verändert. Was bedeutet das konkret? Marketing hat sich verändert, aber die Metriken hinken hinterher.

Das Problem mit den Öffnungsraten

Auf der Internet World Conference 2013 habe ich zum ersten mal über die Probleme beim Tracken der Öffnungsraten gesprochen – diese können mit den Veränderungen innerhalb der Branche beim besten Willen nicht Schritt halten.

Durch mein Arbeitsumfeld in den Bereichen Technologie- und Daten im größeren Bereich “E-Mail”, habe ich generell einen guten Blick auf die Gesamtsituation. Und ich habe schon 2013 erkannt, dass es eine große Diskrepanz zwischen dem gibt, was Marketer erreichen möchten, und der Art & Weise, wie die daraus entstehenden Ergebnisse ausgewertet werden. Eine Folge dieser Diskrepanz stellte sich oftmals im Scheitern von Strategien und in Problemen bei der Zustellbarkeit dar.

6 Jahre später hat sich meiner Meinung nach wenig an dieser Situation geändert. Wir tracken Öffnungsraten immer noch unverändert, wir erstellen Berichte über Öffnungsraten immer noch auf die gleiche Art und Weise, wir erstellen Industry-Benchmarks anhand von Öffnungsraten, und wir nutzen Öffnungsraten nach wie vor zur Segmentierung, zielgerichteten Ansprache und Personalisierung.

Das Problem hierbei? Obwohl sich die Metriken innerhalb der Branche nicht verändert, bzw. weiterentwickelt haben, funktionieren Öffnungsraten immer noch. Oder zumindest in gewisser Weise. Öffnungsraten fallen für gewöhnlich hoch aus, wenn die Dinge gut laufen, sind niedrig, wenn die Dinge nicht gut laufen, und verändern sich entsprechend einer Verbesserung oder Verschlechterung. Und nicht zu vergessen: Sie machen die größte Zahl in der gesamten Konversionskette aus – es klingt schließlich sehr viel besser, von einer 42%igen Öffnungsrate, statt von einer 7%igen Klickrate zu sprechen.

Mein Spezialgebiet ist Deliverability. Das bedeutet: Ich arbeite mit Unternehmen zusammen, deren Marketingprogramme nicht funktionieren, bzw. nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Das bedeutet auch: Wenn Sie und ich miteinander telefonieren, haben Sie wahrscheinlich gerade einfach eine schlechte Woche. Und diese Momente, oder diese Fälle (wenn es nicht gut läuft) machen mehr als deutlich, dass man aktive E-Mail Empfänger nicht mit „Open Data“ identifizieren kann, sondern unbedingt exakte Daten benötigt, um Situationen auszuwerten, Kontakte richtig anzusprechen, und eine gute Reputation aufzubauen.

E-Mail Probleme, die Sie kennen & verstehen sollten

Bevor wir uns näher mit Öffnungsraten beschäftigen und uns ansehen, wann und wo sie zum Tragen kommen, sollten wir uns mit einigen aktuellen Problemen im Bereich Deliverability vertraut machen.

Image-Prefetching

In einer E-Mail werden Bilder oft im Voraus geladen – das bedeutet, sie werden ohne jegliche Form von menschlicher Interaktion heruntergeladen.

Lassen Sie mich in aller Kürze erklären, warum das so ist. Es gibt drei Hauptgründe, warum Bilder in E-Mails im Voraus geladen werden:

User-Experience. Mobilgeräte befinden sich manchmal in einem Bereich mit einem Mobilfunksignal, und manchmal nicht. Viele Verbraucher lesen ihre E-Mails auf unterschiedlichen Geräten, was dazu führt, dass Endgeräte unterschiedlich abgefragt und gerendert werden. Pre-Fetching sorgt für eine bessere User Experience.

Anti missbräuchliche Nutzung. Bilder werden oftmals als Teil des Inbox Filter-Prozesses überprüft, um so den Posteingang vor Spam, Viren und Malware zu schützen. Manche Posteingänge werden außerdem von Maschinen gesteuert, bzw. sind dazu da, um E-Mail Absender und Aktivitäten zu monitoren.

  E-Mails weiterleiten und Mailbox Konsolidierung. Wenn POP/IMAP benutzt wird, um E-Mails weiterzuleiten und in einer Mailbox zu sammeln, kann das dazu führen, dass Bilder im Voraus geladen werden (um dafür zu sorgen, dass sie korrekt und intakt zugestellt werden).

Es gibt aber auch einige menschliche Einflüsse, die mit Pre-Fetching im Zusammenhang stehen, unter Anderem:

  • Wenn ein Posteingang aktiv oder inaktiv ist
  • Wenn E-Mails von einem bestimmten Absender üblicherweise geöffnet werden, oder nicht – dieser etwas ungenaue Messwert ist nur in technisch sehr fortschrittlichen Posteingängen erhältlich
  • Wenn ein Empfänger den Absender mit “immer herunterladen” markiert hat – wobei dies lediglich eine “Aufforderung, aber kein Befehl“ ist
  • Bei bestimmten Nutzereinstellungen

Bitte beachten Sie auch, dass Pre-Fetching je nach E-Mail Provider (die Domain), E-Mail Client (die App, die zum Lesen der E-Mail genutzt wird), dem Endgerät (Desktop, Tablet, Mobiltelefon) und Betriebssystem (iOS, Android) variieren kann.

Wie das konkret aussieht, lässt sich hervorragend in dem Litmus Market Share Bericht beobachten. Der Report zeigt unter anderem, dass in Gmail 3x mehr E-Mails geöffnet werden, als in Microsoft Domains, und dass in Apple mehr als 10x mehr E-Mail Öffnungen stattfinden, als in Android Systemen.

Bessere E-Mail Auswertung

Lassen Sie mich eines klarstellen: Öffnungsraten sind weder bedeutungs- noch wertlos. Weiter oben habe ich bereits beschrieben, dass Öffnungsraten schwanken, bzw. hoch- und runtergehen können. Und natürlich können Sie eine erfolgreiche Kampagne anhand von hohen Öffnungsraten identifizieren. Außerdem sind Öffnungsraten ein Indikator für:

Listenqualität. Junk E-Mails und inaktive Posteingänge werden nur selten “Pre-Fetching” auslösen. E-Mails, die an einen aktiven Account verschickt werden, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, “Pre-Fetching” auszulösen, als E-Mails, die an Accounts verschickt werden, die selten benutzt werden.

Aktivität des Empfängers in der Vergangenheit.  Einstellungen des Nutzer-Endgeräts (die “Bilder von diesem Absender immer herunterladen”-Option), und die etwas ungenaue Logik hinter Empfänger-Verhalten und Präferenzen.

Kampagnen Erfolg. Die Frage, ob ein Mensch tatsächlich die E-Mail öffnet, ob die Bilder nicht zu Caching-Zwecken im Voraus geladen werden, Monitoring zur Unterbindung missbräuchlichen Verhaltens, User Experience oder auch IMAP forwarding.

Key-Takeaways für Marketer

Hier sind meine Key-Takeaways für eine bessere Auswertung Ihres E-Mail Marketings:

  1. Hohe Öffnungsraten sind besser, als geringe Öffnungsraten. (logisch!).
  2. “Personen, die E-Mails öffnen (bzw. „Openers”)“ sind eine gute Zielgruppe für viele E-Mail Kampagnen – der Grund hierfür? Die Mehrzahl aller “recent opens” führt zu aktiven/aktiv genutzten Posteingängen.
  3. “Personen, die E-Mails öffnen (bzw. „Openers”)“ sind keine gute Zielgruppe, wenn es darum geht, eine gute Brand Reputation aufzubauen, oder Deliverability-Probleme zu beheben. Schließlich bedeutet ein aktiver Posteingang nicht zwangsläufig, dass der entsprechende Kontakt die jeweiligen E-Mails auch liest.
  4. Wenn es um den Aufbau, bzw. die Verbesserung der Brand-Reputation geht, sollten Sie mit einem Mix aus Empfängern arbeiten, der sich wie folgt zusammensetzt: Empfänger, die auf Links klicken, die Ihre Webseite besuchen, die sich in Ihre App eingeloggt haben, oder die sich kürzlich für Ihre Liste angemeldet haben. Im Gegensatz zu Personen, die Ihre E-Mail „nur“ geöffnet haben, besteht bei all diesen Personen ein gesteigertes – und nachvollziehbareres – Interesse an Ihrer Marke.
  5. Um den Erfolg einer Kampagne auszuwerten, bietet es sich an, statt auf Öffnungsraten einen Blick auf den Website-Traffic (Link-Klicks und Website-Analytics) und auf Umsatz-KPIs zu werfen.

Branchen-Studien (fortlaufend)

Vieles von dem, was ich in diesem Artikel besprochen habe, basiert auf Beobachtungen, die sehr spezifisch und nicht unbedingt durch die gesamte Branche bestätigt sind.

Es gibt allerdings ein Projekt namens M3AAWG, das sich mit dem Tracken Pixel-basierter Öffnungsraten zwischen Absender und Empfängern beschäftigt und so langfristig eine bessere Beratung für Marketer, Service-Provider und Inbox-Provider bieten möchte. Frühere Studien haben gezeigt, dass Pixel-basierte Öffnungsraten sehr variierbar und zum Teil übertrieben sind. Die Sichtung und Auswertung der entsprechenden Daten findet immer noch statt und wird in Zukunft hoffentlich für weitere Veröffentlichungen sorgen.

In der Zwischenzeit können Sie sich an M3AAWG wenden, um weitere Informationen zu erhalten und sich langfristig an branchenspezifischen Studien dieser Art zu beteiligen.