Lewis & Partners schließt weitere acht Kaufhäuser, nachdem die Marke schon im Juli die Schließung der ersten acht Standorte in Großbritannien angekündigt hatte.

Ursache für diese zweite Runde dauerhafter Schließungen ist, dass der Einzelhändler im Jahr 2020 seinen ersten Jahresverlust (517 Millionen Pfund) überhaupt verzeichnete.

In einer Pressemitteilung erklärte die Vorsitzende des „John Lewis Partnerships“, Sharon White: „Das Einkaufen durchlebt die größte Veränderung unserer Generation – und wir verändern uns mit. Unsere Kunden erhalten weiterhin den hochwertigen Service, für den sie uns schätzen – und das wie und wann immer sie es möchten.“

Die 1864 gegründete Kaufhauskette John Lewis hat sich mit ihrem erstklassigen Service einen Namen gemacht, was Kunden aus der ganzen Welt in ihre exklusiven Filialen zieht. Doch in weniger als einem Jahr hat der Einzelhändler rund ein Drittel seiner Kaufhäuser im Vereinigten Königreich außer Betrieb genommen. „Es führt kein Weg daran vorbei: An manchen Standorten ist die Führung eines John Lewis-Kaufhauses einfach nicht mehr rentabel,“ erklärt White.

Abgesehen von den 34 Filialen, die ab dem 12. April nach und nach wieder geöffnet werden, ist die Frage, wie die Zukunft des Unternehmens aussieht. Wie lassen sich weitere Schließungen vermeiden? Und wie gedenkt die Marke, mit Kunden online sowie in ihren Filialen zu interagieren?

Warum John Lewis nicht wieder öffnen wird

Die Auflösung des John-Lewis-Imperiums bahnt sich schon seit einigen Jahren an – und das trotz eines Rekordumsatzplus im Jahr 2019. Die fortschreitende digitale Transformation, in die viele Unternehmen schon seit Jahren investieren, stellt Einzelhändler immer wieder vor unüberwindbare Hürden. Durch den Ausbruch der COVID 19-Pandemie sind diese Defizite nur noch deutlicher zutage getreten.

Der digitale Wandel wird immer präsenter

Durch den pandemiebedingten Wechsel hin zum E-Commerce sahen sich viele Unternehmen nicht nur dazu gezwungen, die Online-Journey ihrer Kunden zu überarbeiten, sondern auch die Rolle ihrer physischen Geschäfte zu überdenken. John Lewis musste beispielsweise entscheiden, welche Filialen sich nicht rentierten bzw. welche nicht zum Unternehmenswachstum beitrugen.

In der Pressemitteilung heißt es: „Angesichts der steigenden Bedeutung des Online-Shoppings in den letzten Jahren – und unserer Überzeugung, dass dieser Trend Bestand haben wird – denken wir nicht, dass sich die Leistung dieser acht Filialen wesentlich verbessern lässt. Wir rechnen damit, dass wir zwischen 60 und 70% unseres Umsatzes zukünftig online erzielen werden. Fast die Hälfte unserer Kunden verwenden mittlerweile eine Kombination aus unseren In-Store- und Online-Services, um ihren Kauf abzuschließen.“

Zwar sind die jeweiligen Standorte unterschiedlich von diesen Veränderungen betroffen. Doch der stellvertretende Vorsitzende der Peterborough Civic Society Toby Wood bringt es auf den Punkt: Der Wandel hin zum E-Commerce sei „eine Erinnerung daran, dass die Welt sich verändert.“ In Peterborough sowie an den anderen Standorten gehörte John Lewis zu den bedeutendsten Kaufhäusern und wichtigen Arbeitgebern. „Das Standzentrum wandelt sich. Eine Tatsache, auf die wir uns einstellen müssen. Wir werden nicht mehr zum Ist-Zustand [der prä-Corona Zeit] zurückkehren. Die neue Normalität wird anders aussehen“, erklärt er.

Wie sich das Kundenverhalten an einigen Standorten verändert hat

John Lewis‘ bisher größte Entdeckung: Nachdem das Unternehmen 2007 eine enorme Filialexpansion eingeleitet hatte, musste es sich eingestehen, dass sich die Aufrechterhaltung einiger großer Standorte mittlerweile nicht mehr rentierte. Auch das Pilotprojekt „At Home“ wird teilweise eingestellt: Insgesamt vier Filialen werden in den Städten Ashford, Basingstoke, Chester und Tunbridge Wells wieder geschlossen.

„Dies ist das Ergebnis umfangreicher Untersuchungen, um neue Einkaufsgewohnheiten der Kunden in verschiedenen Teilen des Landes zu ermitteln und zu berücksichtigen“, heißt es in der Pressemitteilung von John Lewis. „Vor diesem Hintergrund können wir leider einige John Lewis-Filialen an den Standorten nicht mehr führen, an denen die Kundenzahlen stark rückläufig sind.“

Die Pandemie ist nicht allein verantwortlich

Obwohl COVID-19 Unternehmen in ganz Großbritannien zur Schließung ihrer Geschäfte zwang, hatte John Lewis schon vor der Pandemie zu kämpfen. In der öffentlichen Bekanntgabe des Einzelhändlers heißt es, dass die acht weiteren Filialen, die vor der Schließung stehen, „schon vor der Pandemie finanziell angeschlagen waren.“

„Die Nachricht überrascht mich nicht,“ erklärt Andrew Taylor, ein ehemaliger Mitarbeiter der Birmingham-Filiale.Er führt weiter aus: „Obwohl sich das Kaufverhalten der Kunden natürlich geändert hat, steckte das Unternehmen meines Erachtens schon vor Ausbruch der Pandemie in einer existenziellen Krise.“

Nachdem das Unternehmen 2007 seine 26 Filialen um 23 weitere ergänzt hatte, sah es sich bald mit der harten Konkurrenz digitaler Einzelhändler konfrontiert. Mit der Verlagerung hin zum Online-Shopping erlebte John Lewis nicht nur Einbußen beim Umsatz und den Besucherzahlen in den Filialen, sondern musste auch zusätzliche Umstrukturierungskosten hinnehmen.

Physische Ladengeschäfte haben noch nicht ausgedient

Ganz im Gegenteil: Payal Hindocha, Vertical Product Marketing Manager bei Emarsys, äußerte sich dazu in der Sendung Early Breakfast im Times Radio wie folg:

„Dass John Lewis diese Entscheidung treffen musste, ist bedauerlich“, so Hindocha. „Die Marke ist bekannt für ihren hervorragenden Kundenservice, das Herz ihres Werteversprechens.“ Ihrer Ansicht nach hätte es andere Möglichkeiten gegeben, die Interaktion mit mehr Kunden anzuregen, ohne dafür dauerhaft Filialen schließen zu müssen.

Da John Lewis seit jeher ein fester Bestandteil der britischen High Street ist, werden sich andere Einzelhändler fragen, ob diese Schließungen auch weitere Marken beeinflussen werden, die ihre Standorte in den Einkaufsstraßen haben. Was ändert sich dadurch für die Online-Verkäufe? In den sechs Monaten, in denen die John Lewis-Filialen 2020 geöffnet hatten, waren Online- und Ladenverkäufe praktisch gleichauf. Wie werden Kunden auf die neuen Schließungen reagieren?

Payal Hindocha schlägt vor, einen kühlen Kopf zu bewahren und auf einen datengesteuerten Ansatz zu setzen.

E-Commerce im Fokus

Der Moderator der „Early Breakfast“-Show Calum Macdonald fasste die aktuellen Ängste vieler Einzelhändler in Worte: „Uns vergeht gerade die Lust, im Laden shoppen zu gehen. Wir haben keinen Bezug mehr dazu. Wir wechseln alle zum Online-Shopping.“

„E-Commerce hat seinen Höhepunkt erreicht,“ erklärt Hindocha. „Dabei entspricht der Höhepunkt des E-Commerce einem reinen Online-Verkauf. Immerhin macht er ganze 30% des gesamten Einzelhandelsumsatzes aus. Und einige Emarsys-Studien bestätigen, dass über 74% der Verbraucher in Großbritannien das Einkaufen im stationären Handel vermissen. Die Rolle der Einkaufsstraßen hat sich allerdings verändert. Und obwohl nun mehr Menschen daran gewöhnt sind, ihr Smartphone zu nutzen oder online shoppen zu gehen, sehen sie sich danach, in Geschäften zu stöbern oder Freunde und Verwandte zu treffen.”

Mehrheit der Verkäufe findet nach wie vor im stationären Handel statt

Ladengeschäfte sind weder tot, noch sind sie vom Aussterben bedroht. John Lewis äußert sich dazu wie folgt: „Unsere Filialen sind weiterhin ein maßgeblicher Bestandteil unseres langfristigen Erfolgs. Sie bieten den Kunden ein sensorisches Erlebnis, das das Online-Format einfach nicht ersetzen kann. Hinzu kommt noch die Unterstützung unserer Partner.“

Hindocha untermauert diese Aussage: „Die meisten Menschen mögen es, in Geschäften einkaufen zu gehen. Immerhin werden 70% des Umsatzes immer noch in Läden generiert. Was zukünftig mit den 30% Online-Umsatz passiert, wird spannend bleiben.“

Die Wechselwirkung zwischen offenen Geschäften und dem Online-Boom

John Lewis erklärte: „Bei der Besprechung der Jahresergebnisse letzten Monat kündigten wir an, unser Unternehmen an die Ansprüche unserer Kunden – offline sowie online – anzupassen.“ Doch die eigentliche Erkenntnis ist wesentlich tiefgründiger.

„Bevor Einzelhändler wie John Lewis ihre Geschäfte schließen, sollten sie ihre Entscheidung gründlich in allen Aspekten durchdenken,“ so Hindocha. „Und mit allen Aspekten meine ich die voraussichtlichen Folgen für ihr Online-Business. Wie wirkt sich ihre Entscheidung auf die lokale Wirtschaft aus? Welche Folgen zieht es für den Kunden nach sich? Und wo werden die Kunden hingehen?“

Zur Veranschaulichung der Wechselwirkung zwischen Online- und Ladenkäufen bezieht sich Hindocha auf den Einzelhändler Oasis: „Vor der Übernahme von Oasis durch Boohoo verfügte Oasis über eine gut ausgebaute Filialpräsenz. Mit der Schließung seiner Filialen verzeichnete das Unternehmen eine Abnahme bei den Onlinekäufen, die dann wieder anstieg, als seine Läden wieder öffneten. Online und In-Store beeinflussen sich gegenseitig und sollten daher nicht siloartig behandelt werden.“

Wie sich Einzelhändler auf Veränderungen im Shopping-Verhalten einstellen können

Die gute Nachricht: Physische Geschäfte werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Was sich verändert, ist eben diese Rolle.

Die Kundenperspektive hat sich von einer leichten Skepsis gegenüber dem Onlinekauf hin zu einer Begeisterung für das virtuelle Shopping-Erlebnis gewandelt. Gründe hierfür liegen in erster Linie an der Nutzerfreundlichkeit und dem Komfort des E-Commerce-Modells.

Auf der anderen Seite gaben in einer Emarsys-Umfrage 74% der Kunden an, dass sie das Einkaufserlebnis im Laden vermissen. Sie sehen den stationären Handel mittlerweile verstärkt als einen Ort an, an dem sie ihre online gekauften Produkte zurückgeben können.

Datengesteuerte Personalisierung wichtiger denn je

Das Revival des Einzelhandels und die wirtschaftliche Erholung hängen maßgeblich von Daten und der Art und Weise ab, wie Unternehmen sie zur Gestaltung der Customer Experience einsetzen. Klare, vereinheitlichte First-Party-Daten ermöglichen es Ihnen, kundenrelevant zu bleiben. Darüber hinaus haben Sie die Möglichkeit, durch die Datenanalyse die Customer Experience effektiv zu optimieren.

Messen Sie die Wirkung Ihres Marketings anhand der In-Store-Performance

Durch die Personalisierung können Unternehmen deutlich sehen, welche Kampagnen und Kanäle die Anzahl der Besuche und Käufe im Laden ankurbeln. Einzelhändler erleben dadurch eine Verlagerung von Online + Offline zu allen Kanälen, die die Kunden zurück in den Laden bringen. In den sechs Monaten, in denen die Einzelhandelsgeschäfte im letzten Jahr im Vereinigten Königreich geöffnet waren, ist zum Beispiel die gesamte Branche wieder gewachsen – nicht nur der E-Commerce, sondern auch die Einzelhandelseinnahmen haben sich erholt – mit profitablen Umsätzen.

Durch die Messung und Überprüfung der Auswirkung personalisierter Kommunikation auf die Leistung ihrer Stores können sich Unternehmen ein genaues Bild ihrer Marketingaktivitäten für ihre Web- und App-Kanäle machen. So können sie mehr Maßnahmen ergreifen, die funktionieren, und jene verwerfen, die es nicht tun – und das, bevor sie sich gezwungen sehen, eine Filiale zu schließen.

Online und Mobile

Unzählige Online-Kanäle kamen 2020 hinzu, was unter anderem zu einem enormen Zuwachs der Mobile-Nutzung führte. Doch wie wirken sich die Lockdown-bedingte Schließung und mögliche Wiedereröffnung von Geschäften auf die Käufe über mobile Apps aus?

Aus den Umfragen von Emarsys geht hervor, dass 48% der Verbraucher behaupten, die wichtigsten Kaufentscheidungen über mobile Apps zu treffen, was wiederum zu durchdachten und bewussten Käufen führt. Mittlerweile beginnen und schließen zudem 51% der Verbraucher die gesamte Customer Journey über ein Mobilgerät ab. Selbst, wenn Kunden noch nicht zum Kauf bereit sind, suchen und informieren sie sich über ihre mobile App über ein Produkt, bevor sie es kaufen. Daher sollten Unternehmen über jeden Touchpoint für ihre Kunden relevant bleiben, damit diese dann zum Kauf bereit sind – egal ob online oder offline.

Der britische Lebensmittelhändler Greggs erkannte beispielsweise einen Trend beim Bestell- und Zahlungsverhalten seiner Kunden: Diese kauften die Produkte über die mobile App, holten sie dann aber im Laden ab. Durch reibungslose Touchpoints, bequemere Zahlungsmethoden und Services wie z.B. die Bestellung und Zahlung über die App erzielte Greggs 30% mehr Nutzer, die seine mobile App verwendeten.

So wie die meisten Einzelhändler investiert John Lewis in E-Commerce und plant, 70% seines Umsatzes bis 2025 auf den Online-Bereich zu verlagern. „Die Online-Experience unserer Kunden wird durch unseren Online-Auftritt auf johnlewis.com sowie durch unsere App gestärkt“, heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens. „Im vergangenen Jahr haben wir dafür gesorgt, dass unsere Partner durch digitale Services unsere Kunden in den eigenen vier Wänden ansprechen können. Vor diesem Hintergrund haben wir per Videoanruf mehr als 11.000 virtuelle Termine in den Bereichen Wohndesign, persönliches Styling und Kinderzimmer abgehalten.“

Payal Hindocha fasst die Herausforderung wie folgt zusammen: „Es ist sehr spannend zu sehen, wie es weitergehen wird. Denn letzten Endes bleibt der Kunde immer der gleiche. Ja, er hat sich daran gewöhnt, online einzukaufen – was insbesondere für das Shoppen über mobile Geräte gilt. Zudem gehen rund 48% der von uns befragten Kunden viel bedachter beim Einkaufen vor. Dazu nutzen sie Apps bzw. sie verwenden die Apps unabhängig davon, ob sie den gesamten Kauf online abwickeln oder die Ware im Geschäft abholen.“

Click-and-Collect

Einen phänomenalen Zuwachs erlebte 2020 auch der Bereich der Zahlungsoptionen. Besonders beliebt war das Click-and-Collect-Modell. John Lewis plant nun, seinen Service dahingehend zu erweitern: „Unseren Umfragen zufolge wünschen sich unsere Kunden einen einfacheren Zugang zu John Lewis. Deshalb optimieren wir unseren Click-and-Collect-Service für Waitrose-Filialen und werden mehr Abholpunkte durch Drittanbieter einrichten.“

Fokus auf Filialen, in denen die Kunden einkaufen

Das wichtigste Learning für John Lewis (und alle anderen Einzelhändler mit mehreren Filialen) ist die Notwendigkeit, die Voraussetzungen jedes Standorts genau zu kennen – und so auch die individuellen Ansprüche der Kunden, die hier vorzugsweise einkaufen. Kunden wünschen sich von ihrer Experience immer noch mehr, als Produkte online zu bestellen und sie dann vor dem Laden abzuholen. Das bietet Einzelhändlern die Möglichkeit, mithilfe von E-Commerce ihre Einnahmen im Geschäft anzukurbeln.

„Mit weniger, aber größeren Filialen können wir intensiver in unsere verbleibenden Standorte investieren, inspirierende Produkte in Szene setzen und uns auf die Gestaltung einzigartiger Erlebnisse und Services konzentrieren,“ erklärt das Unternehmen. „Unsere Kunden an den jeweiligen Standorten erwarten spannende Geschäfte, die gezielter auf ihre Interessen und Vorlieben zugeschnitten sind.“

Zur Strategie von John Lewis gehört auch, sich auf weniger physische Geschäfte zu konzentrieren, in denen sich das Unternehmen umso intensiver auf die jeweilige Kundschaft und ihre Wünsche einstellen kann. Obwohl E-Commerce 30% des Gesamtumsatzes im Einzelhandel generiert, erfolgen 70% der Käufe immer noch in Ladengeschäften. Das Problem ist, dass sich nicht jede Filiale der gleichen Nachfrage erfreut.

Geschäfte, die schließen, befinden sich an Standorten, an denen entweder die Nachfrage oder die Kundschaft nicht ausreicht. Nichtsdestotrotz können Kunden in diesen Gebieten weiterhin bequem online bei John Lewis einkaufen. Durch die Partnerschaft mit Waitrose wird der Service durch das beliebte Click-and-Collect-Modell abgerundet, mit dem Kunden Versandkosten sparen und das Unternehmen relevanten Umsatz generieren kann.

Fazit

Wenn es John Lewis letztlich gelingt, das Verhalten seiner Kundschaft in den jeweiligen Regionen zu ermitteln, kann es seine Kunden gezielter ansprechen und sein Business profitabler betreiben. Durch die Investition in weniger, aber größere Filialen kann der Einzelhändler daraus Orte machen, in denen Kunden gern einkaufen, sich von der Produktauswahl inspirieren lassen und dann den Kauf entweder im Laden oder online abschließen.

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